Mittwoch, 31. Januar 2007

Possession

Deutschland / Frankreich 1981
Farbe 123 Minuten


Regie:
Andrzej Zulawski

Darsteller:
Isabelle Adjani
Sam Neill
Heinz Bennent

--------------------


Andrzej Zulawskis "Possession" ist eine bizarre, hysterische und trotzdem ungeheuer einnehmende, übernatürliche Geschichte über das Ende einer Ehe, die sich in Wut, Gewalt, Angst und Wahnsinn auflöst. Der Film beruht auf den Eindrücken die Zulawski selbst gerade erst aus seiner gescheiterten Ehe zu verarbeiten hatte und kann somit als einer seiner persönlichsten betrachtet werden.

Mark (Sam Neil) kehrt von einer Geschäftsreise in den westlichen Part des geteilten Berlins zu seinem fünfjährigen Sohn Bob (Michael Hogben) und seiner Frau Anna (Isabelle Adjani) zurück. Die Spannung zwischen den Beiden ist von Anfang an offensichtlich, denn Anna scheint Mark etwas zu verheimlichen. Beide möchten vermeiden, dass ihr Sohn unter ihren Beziehungsproblemen zu leiden hat, doch der Zerfall ihrer Ehe lässt sich nicht mehr aufhalten. Während seiner Suche nach Gründen dafür dass Anna ihn verlässt konfrontiert Mark den Esoteriker Heinrich (Heinz Bennent) in dessen Wohnung, von dem er annimmt dieser wäre der aktuelle Liebhaber seiner Frau, nur um heraus zu finden dass ihn seine Frau zwar schon ein ganzes Jahr lang betrügt, aber seit Wochen auch dort nicht mehr aufgetaucht ist. Anna scheint also eine weitere Affäre mit einem Unbekannten zu haben. Das Zusammentreffen von Mark und Anna in ihrem gemeinsamen Domizil wird indes immer unerträglicher, um schließlich sogar in gewalttätigen Ausbrüchen, bei denen sie sich selbst verletzen, zu kulminieren. Ihr Verhältnis ist letzten Endes so zerrüttet, dass Anna nicht mehr in der Lage ist mit der Verantwortung von Ehe und Mutterschaft umzugehen. Vor allem der Sohn leidet stark unter den für ihn unergründlichen Streitereien seiner Eltern und der häufigen Abwesenheit seiner Mutter. Schließlich zieht Anna aus, um sich in einer verlassenen Wohnung, sowohl vor Mark als auch Heinrich zu verstecken. Es wird immer offensichtlicher, dass mit Anna etwas nicht stimmt. Sie verhält sich seltsam und wirkt paranoid. Während Mark nur nach externen Gründen sucht weshalb sie ihn verlassen hat, beauftragt er, längst vollends verzweifelt, um die Ehe zu retten, einen Detektiv damit seiner Frau zu folgen und heraus zu finden mit wem sie sich trifft. Unterdessen lernt er die Kindergärtnerin seines Sohnes Helen (auch dargestellt von Isabelle Adjani) näher kennen und sie ersetzt ihm und dem Sohn teilweise die fehlende Frau und Mutter, außerdem wird er unterstützt durch Annas Cousine Margit (Margit Carstensen), die zu ihm ebenfalls ein mehr als nur rein platonisches Verhältnis entwickelt. Keine dieser Frauen ist jedoch in der Lage seine Liebe zu Anna zu erschüttern, denn er hält trotz ihrer hysterischen Zustände zu ihr. Nach dieser noch recht konventionellen und verdaubaren Einleitung, die an andere Ehedramen und den damit verbundenen Psychoterror erinnert, fängt der Film an sich vollkommen in Surrealem, Metaphorischem und Symbolischem zu ergehen. Er wechselt von einer, wenn auch reichlich hysterischen Realität zu einem einzigartigen Konglomerat aus Liebe, Gewalt, Verrat, Enttäuschung und letztendlich Wahnsinn, indem sich Mark und Anna verlieren. Der beauftragte Detektiv meldet sich zwar noch und gibt die neue Adresse von Anna an Mark weiter, entdeckt aber, bei dem Versuch heraus zu finden ob Anna alleine ist, eine offensichtlich nicht menschliche, oktopusartige Kreatur. Anna (von der wir später erfahren das sie diese mysteriöse Kreatur in einer U-bahn Unterführung geboren und eine inzestuöse, sexuelle Beziehung zu ihr hat) ist so verzweifelt und besessen davon diese Kreatur am Leben zu erhalten, dass sie sich gezwungen sieht den Detektiv zu töten, um diese zu schützen; der Auftakt für ein blutiges apokalyptisches Ende.

Vor allem Isabelle Adjani (Anna) und Sam Neil (Mark), die beide auch ihre Doppelgänger spielen, tragen den Film. Ihre Leistungen sind erstklassig (Goldene Palme für Isabelle Adjani). Ihnen wurde häufig vorgeworfen in ihrer Darstellung über jegliches Gefühl für realistische Schauspielkunst hinausgegangen zu sein und maßlos übertrieben zu haben, doch gerade dieser Film verlangt nach rohen Emotionen und diese irre Hysterie trägt entscheidend dazu bei zu verdeutlichen wie verletzend, schmerzhaft und verwirrend eine Trennung für die Beteiligten sein kann. Die Kreatur (geschaffen von Carlo Rambaldi, welcher später ET entwarf) ist in diesem Film eigentlich nur von sekundärer Relevanz, sie dient in meinen Augen "nur" als Metapher (physikalische Manifestation von: Annas Wut, Trauer, Unglaube, Untreue, als Antichrist etc.). In den wenigen kurzen und fließenden Einstellungen, in denen wir die Kreatur sehen, wird deutlich dass sich Zulawski von rein auf Unterhaltung bedachten Darstellungen distanziert und mehr Wert auf die symbolische Ebene legt. Häufig fälschlicherweise als reiner Horrorfilm eingestuft, was ungefähr genauso abwegig wäre wie Stalker oder Solaris von Andrej Tarkowskij nur als Science-Fiction-Filme wahrzunehmen, ist "Possession" eher ein Konglomerat aus Avantgarde-, Psycho-Drama- und Horror-Elementen, lässt sich also nur schwer auf ein Genre festlegen und ist gerade deshalb eine faszinierende Erfahrung bei der andauernd konventionelle Grenzen überschritten werden. Der Film kann sehr unterschiedlich interpretiert werden: als Verdeutlichung wie Kinder leiden deren Eltern sich trennen und auseinander leben, als schmerzhafte Wahrheit über das was Liebe in ihren schlimmsten Momenten sein kann, als Anspielung auf den Kalten Krieg (offensichtlich in der Wahl des Drehorts im geteilten Berlin) dessen mögliche atomare Apokalypse der Film zum Ende hin anzudeuten scheint, als religiöses Gleichnis zur Geburt des Antichristen in einer Welt die ihren Glauben verloren hat und so weiter. Die Vielschichtigkeit und Masse an Sub- und Nebenplots verlangt daher nach einer mehrfachen Rezeption, um diesen Film in seiner gesamten Tiefe erschließen und den verschiedenen möglichen Interpretationen gerecht werden zu können.

"Possession" wird die Zuschauer wie jeder Kultfilm spalten, dennoch ist er Filmgenuss pur. Weitab von gängiger Hollywood-Konformität setzt Zulawski neue Maßstäbe und bezieht gerade aus der narrativen Ambiguität die enorme Stärke die diese Art der Umsetzung einzigartig werden lässt. Wie auch immer man selbst zu diesem filmischen Rorschachtest steht, ignorieren lässt sich diese Filmerfahrung nur schwer und wer offen genug ist sich von festgefahrenen Erwartungshaltungen zu lösen, wird sich von dieser nicht nur faszinieren und fesseln lassen, sondern auch um den Einblick in die Konsequenzen einer zerfallenden Ehe(hölle) und daher in die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche, reicher sein.


Review by Maddox


--------------------


Keine Kommentare: